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Vorstand des VKRF zum Gespräch bei Erzbischof Stephan Burger

„Ich erwarte von Ihnen nicht, dass Sie morgen  die Kirchen füllen.“

Am Mittwoch, den 14.10.2020, war der Vorstand des Verbands der katholischen Religionslehrer und Religionslehrerinnen in der Erzdiözese Freiburg zu Gast im Erzbischöflichen Ordinariat in Freiburg. Erzbischof Stephan Burger hatte zusammen mit der Leiterin der Hauptabteilung Bildung, Ordinariatsrätin Susanne Orth, zum Gespräch eingeladen. Dabei ging es insbesondere um die Herausforderungen der Kirche durch die Corona-Pandemie und auch die innerkirchlichen Debatten angefangen vom Synodalen Weg über die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle und bis hin zur Frage nach der Zukunft der Kirche und des Religionsunterrichts.

Christiane Schababerle-Wagner, die Vorsitzende des VKRF, eröffnete die Runde mit der Frage nach der Systemrelevanz des Religionsunterrichts angesichts des aktuellen Unterrichts unter Pandemie-Bedingungen. Den Verband hatten mehrere Anfragen von Kolleginnen und Kollegen erreicht, die darauf hingewiesen hatten, dass an manchen Schulen der Religionsunterricht im Fernunterricht weggefallen war und zum Teil auch für das neue Schuljahr zunächst ohne Religionsunterricht geplant wurde. Auch einzelne Vorstandsmitglieder des VKRF berichteten von ähnlich irritierenden Erfahrungen. Dabei wurde der Wunsch der Religionslehrerinnen und Religionslehrer nach öffentlicher Rückendeckung durch die Bistumsleitung und den Erzbischof deutlich. Erzbischof Stephan Burger zeigte Verständnis für diese Erwartungen und machte auch deutlich, dass ihn diese Entwicklung, in der der Religionsunterricht recht schnell unter die organisatorischen Räder gekommen sei, überrascht habe. Frau Orth machte den Vorschlag alle Kolleginnen und Kollegen in diesen herausfordernden Zeiten per Brief  – ganz ähnlich wie dies per E-Mail an die kirchlichen Lehrkräfte schon geschehen ist – zu stärken. Alle Beteiligten waren sich abschließend sehr einig, dass der Religionsunterricht gerade in diesen Krisen-Zeiten in besonderer Weise relevant sei (Sehr interessant und hilfreich ist in diesem Zusammenhang auch der Artikel „Gerade jetzt! – 10 Thesen, warum der Religionsunterricht in der Corona-Zeit unverzichtbar ist“).

Die beiden Vorsitzenden des VKRF Christiane Schababerle-Wagner und Michael Längle

Ein weiteres großes Gesprächsfeld betraf die Frage nach der Zukunft des Religionsunterrichts bzw. der Zukunft der Kirche angesichts großer struktureller Veränderungen wie der vielen Kirchenaustritte und der Kirchenentwicklung 2030 in der Erzdiözese Freiburg sowie der Missbrauchsskandale und der diversen kirchenpolitischen Diskussionen. Aus Sicht der Vorstandsmitglieder des VKRF stellt sich für viele Religionslehrkräfte die Frage, welche  Relevanz die Kirche für Jugendliche heute noch haben kann, gerade angesichts des sehr negativen öffentlichen Bildes der Kirche sowie immer größer werdender Pfarreien. Mit einiger Sorge blickten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch auf die Zukunftsaussichten des Religionsunterrichts. Wie kann der Religionsunterricht in in den kommenden Jahrzehnten aussehen, wenn immer weniger Kinder und Jugendliche konfessionell gebunden sein werden? Der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes, Michael Längle, zeigte sich stellvertretend für die kirchlichen Lehrkräfte darüber hinaus aufgrund klammer werdender Kassen besorgt, inwiefern dies auch Konsequenzen für die Lehrkräfte nach sich ziehen könnte. Erzbischof Stephan Burger antwortete zunächst mit dem Wunsch, dass sich die Religionslehrerinnen und Religionslehrer ihre eigene Freude im Unterrichten und in der Thematisierung der frohen Botschaft bewahren und ihre Berufung leben. Dies sei aus seiner Sicht zunächst einmal völlig unabhängig von der Zahl der Kirchenmitglieder und er wies deutlich darauf hin, dass Religionslehrerinnen und Religionslehrer nicht dazu verdammt seien, Kirchenmitglieder zu rekrutieren und dies auch nicht in ihrer Verantwortung läge. Die Vorstandsmitglieder des VKRF hoben in diesem Zusammenhang das erfolgreiche und auch für die Zukunft vielversprechende Modell des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts hervor. Insgesamt sollten aus Sicht des Verbandsvorstands die Chancen und Möglichkeiten der Ökumene noch mehr in den Blick genommen und weitergedacht werden.

Im Hinblick auf die Strukturveränderungen in Zusammenhang mit der Kirchenentwicklung 2030  griff  der Erzbischof auf ein Bild zurück: „Strukturen müssen sich verändern. Ich brauche eine neue Wasserleitung, weil die alte nicht mehr funktioniert. Der Inhalt – das Wasser – bleibt aber gleich.“ Grundsätzlich machte er jedoch auch deutlich, dass aus seiner Sicht viele Veränderungen nicht in seiner Hand lägen und viele Fragen und Entwicklungen durch die Politik bzw. die Gesellschaft oder aber auch durch die Zentrale in Rom entschieden würden. Hinsichtlich der Frage nach finanziellen Kürzungen bzw. Sparmaßnahmen konnte Frau Orth den Verbandsvorstand beruhigen, indem sie deutlich machte, dass der Religionsunterricht auf keinen Fall als Erstes von Kürzungsmaßnahmen betroffen sei. Dies sei auch in den Gremien für die Vergabe der Kirchensteuer völlig unumstritten.

Vonseiten der Vorstandsmitglieder wurde das Bild der Wasserleitung aufgegriffen und dahingehend ergänzt, dass es für Religionslehrkräfte mitunter sehr herausfordernd sei, die lebenspendende christliche Botschaft, das „Wasser“, weiterzugeben, wenn die Haltung der Kirche z.B. im Hinblick auf die kirchliche Hierarchie, die Rolle der Frau in der katholischen Kirche, etc. sich mehr und mehr von der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler entferne. Erzbischof Burger unterstrich in Bezug auf die Rolle der Frau, dass die Kirche und auch er persönlich das Engagement der Frauen benötige und wertschätze. Im Hinblick auf weltkirchliche Veränderungen – insbesondere was das Weihe-Amt betrifft – zeigte er sich jedoch sehr skeptisch. Er wies dagegen auf den Synodalen Weg hin, der Impulse und Anregungen nach Rom senden könne und auf dem auch Gestaltungsmöglichkeiten durch Frauen, wie z.B. bei Themenfeldern wie Wort-Gottesdiensten oder auch Taufen, besprochen und diskutiert werden (siehe hierzu auch die kostenlose Sonderausgabe der Reihe themen IM RELIGIONSUNTERRICHT).

Der Vorstand des VKRF möchte sich für dieses sehr angenehme und offene Gespräch bei Erzbischof Stephan Burger und Frau Ordinariatsrätin Susanne Orth ganz herzlich bedanken. Auch wenn aus Sicht des Verbandes noch einige Wasserleitungen zu reparieren bzw. auszutauschen sind, tat ein Gespräch in wertschätzender Atmosphäre und zugewandter Haltung gerade in diesen angespannten Zeiten gut. So betonte der Erzbischof auch mehrfach sein Verständnis für den herausfordernden Dienst der Religionslehrkräfte und ermutigte: „Ich erwarte von Ihnen nicht, dass Sie morgen alle Tempel füllen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit Herz und Verstand Ihre Berufung leben und auch Ihre eigenen spirituellen Quellen nicht versiegen lassen.“

Der Vorstand des VKRF mit Ordinariatsrätin Susanne Orth und Erzbischof Stephan Burger