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Statements der Parteien zum Religionsunterricht

Wir, der VKRF Freiburg, haben im Vorfeld der Landtagswahlen die politischen Parteien in Baden-Württemberg angeschrieben und um Statements zu den folgenden Leitfragen gebeten:

  • Wie bewerten Sie die Zukunft des Religionsunterrichts an den allgemeinbildenden Schulen?
  • Welche Position beziehen Sie im Hinblick auf den konfessionell verfassten Religionsunterricht sowie die konfessionell gebundenen Religionslehrkräfte?
  • Wie beurteilen Sie religionskundliche Alternativen zum Religionsunterricht wie z.B. das Fach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde LER“, die beispielsweise in Brandenburg oder Berlin angeboten werden?

Im Folgenden finden Sie die Antworten der Parteien Bündnis 90/Die Grünen, CDU, SPD, DIE LINKE und der ÖDP. Für die Inhalte der Statements sind ausschließlich die einzelnen Parteien verantwortlich.

Frage 1: Religion ist Teil unserer Lebenswelt und prägt unsere Gesellschaft und Kultur beachtlich. Als einziges Unterrichtsfach ist der Religionsunterricht in unserer Verfassung verankert und als „ordentliches Lehrfach“ an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen festgeschrieben. Daran halten wir Grüne fest. Die Zukunft wird maßgeblich auch davon abhängen, ob Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Was wir begrüßen: Schon jetzt schließen sich Kirchen vielerorts für interkonfessionelle Angebote zusammen. Dies fördert auch den interreligiösen Austausch, den wir unterstützen.

Frage 3: Der konfessionell verfasste Religionsunterricht wird von uns nicht in Frage gestellt. Um auf die Vielfalt unserer Gesellschaft einzugehen, haben wir darüber hinaus den islamischen Religionsunterricht auf den Weg gebracht. Er wird von Lehrkräften angeboten, die in Baden-Württemberg ausgebildet wurden. Wir Grüne sind davon überzeugt: Wir müssen mehr über die Gemeinsamkeiten lernen, die uns als Gesellschaft zusammenhalten. Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Kontext auch ein Angebot für Ethik- und Werteunterricht.

Frage 1: Der Religionsunterricht bleibt für uns definitiv ein wichtiges Element der Werteerziehung. Wir bekennen uns ausdrücklich zu den staatskirchenrechtlichen Grundlagen, auf denen wir weiterhin eine gute Zusammenarbeit mir den Kirchen praktizieren und den Dialog weiterhin vertrauensvoll gestalten.

Frage 2: Der Status des Religionsunterrichts soll wie bisher beibehalten werden, gleichwohl wollen wir das Fach Ethik insbesondere an den Grundschulen ausbauen.

Frage 3: Dem „Brandenburg-Berliner“ Modell LER erteilen wir eine klare Absage.

Frage 1: Wir sehen den Religionsunterricht an den allgemeinbildenden Schulen in keiner Weise gefährdet.

Frage 2: Der konfessionell verfasste Religionsunterricht ist das bewährte Modell des Religionsunterrichts in Baden-Württemberg – und ein schon lange andauernder Erfolg für die Zusammenarbeit von Staat und Kirchen. Die SPD setzt sich deswegen auch für einen islamischen Religionsunterricht nach diesem Prinzip ein und steht hinter der Idee eines Modellprojektes.

Frage 3: Da es durchaus auch heute schon eine hohe Anzahl an Schülerinnen und Schülern gibt, die nicht am evangelischen oder katholischen Religionsunterricht teilnehmen, setzt sich die SPD für Ethikunterricht ab der 1. Klasse ein, damit auch diesen Kindern ein passendes Unterrichtsangebot unterbreitet werden kann.

Frage 1: Tatsächlich sehen wir im Religionsunterricht, so wie er im Augenblick in Baden-Württemberg verfasst ist, ein Modell, das der gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht mehr entspricht. In Schulen, in denen die absolute Mehrheit der Schüler:innen entweder einer nicht-christlichen oder gar keiner Religion angehört, ist ein Unterrichtsfach Religion mit Verfassungsrang nicht mehr angemessen. Wir sehen in der Umwandlung des Religionsunterrichts in einen allgemeinen und verpflichtenden Ethikunterricht mehr Möglichkeiten für die Schüler*innen, mit ihren  unterschiedlichen weltanschaulichen, kulturellen und religiösen Hintergründen gemeinsam über ethische Fragen diskutieren können.
Leider sehen wir wenig Willen bei der aktuellen Landesregierung, die vermutlich auch die kommende Landesregierung sein wird, sich mit diesem Thema zu auseinanderzusetzen. Deswegen wird es auch in absehbarer Zeit ein Schulfach Religion geben, das völlig an der gesellschaftlichen Realität vorbei geht.

Frage 2: Der konfessionell verfasste Religionsunterricht steht in unserer Wahrnehmung einer pluralistischen Gesellschaft entgegen. DIE LINKE tritt für einen weltanschaulich neutralen Staat ein, was angesichts der Pluralität der Weltanschauungen in diesem Land unseres Erachtens die angemessene Form ist. Insofern wollen wir auch, dass die Landesverfassung entsprechend geändert wird. Wir sehen im konfessionell verfassten Religionsunterricht  mehr Trennendes als Verbindendes, daher sollte er in einen allgemeinen Ethikunterricht überführt werden. Wir sehen aber kein Problem, wenn die ehemaligen Religionslehrer:innen ein zukünftiges Fach Ethik unterrichten, so lange sie den Inhalt und den Geist der entsprechenden Bildungspläne unterrichten.

Frage 3: Wir bevorzugen einen allgemeinen Ethikunterricht an Schulen. Wir sehen darin die Möglichkeit, dass sich Kinder und Jugendliche gemeinsam mit den Grundfragen der menschlichen Seins und der Moral beschäftigen, ohne dass ihnen eine Lösung als “richtig” vorgegeben wird. Es ermöglicht auch einen unbefangeneren Austausch über die verschiedenen Antworten auf die Grundfragen menschlicher Kultur, die sich im Zuge der Menschheitsgeschichte entwickelt haben. In unserer Vorstellung hat ein derartiges Fach vor allem die Aufgabe, das Verbindende und die Gemeinsamkeiten zu betonen und die Schüler*innen dazu zu ermutigen, selbstständig die für sie richtige Antworten auf Fragen der Ethik zu finden. Das können auch Antworten entsprechend der christlichen Religionen sein, es sollte jedoch von Seiten der Lehre keine Vorgaben geben.

Wir haben ein weiteres Statement der Partei DIE LINKE erhalten. Für die Antworten von Prof. Dr. theol. Franz Segbers, Landtagskandidat für den Wahlkreis Singen-Stockach, siehe das anhängende PDF-Dokument.

Frage 1: Der Religionsunterricht ist ein wichtiger Bestandteil der schulischen Bildung und darf nicht infrage gestellt werden. Unserer Meinung nach werden im Religionsunterricht nicht nur Wissensinhalte vermittelt, sondern auch Grundwerte des christlichen Lebens und Handelns konkret. Dem Religionsunterricht kommt die Aufgabe zu, sich mit den Religionen der Welt auseinanderzusetzen. Er hat somit eine sinn- und friedensstiftende Bedeutung. Daher ist der Religionsunterricht für uns ein wichtiger Bestandteil des schulischen Fächerkanons.

Frage 2: Der Religionsunterricht wird unterschiedlich gesehen. In den Grundschulen und den weiterführenden Schulen ist der Religionsunterricht konfessionell ausgerichtet. Dem messen wir einen hohen Wert bei. Im Blick auf den ökumenischen Dialog sehen wir aber auch eine wichtige Bedeutung im konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, der von den Kirchen gefördert und gestützt wird. In diesem Konzept der ökumenischen Kooperation sehen wir eine Chance, den Religionsunterricht für ein zukünftiges Miteinander stark zu machen. Im Blick auf das Abitur und die Möglichkeit der theologischen Studiengänge ist ein konfessionell verfasster Religionsunterricht bindend. Theologische Studiengänge mit Blick auf kirchliche Berufe brauchen die konfessionelle Ausrichtung. In den beruflichen Schulen sehen wir eine große Chance in einem Religionsunterricht, an dem vermehrt auch Schüler*innen anderer Religionen im Gaststatus teilnehmen. Die Regelung der religionsgebundenen Lehrkräfte ist zentral, da die Schüler*innen nach Glaubensinhalten fragen und entsprechend die Lehrkräfte nach dem persönlichen Glauben fragen.

Frage 3: In Baden-Württemberg gibt es das Fach Ethik, das unterrichtet werden soll, wenn das Fach Religion abgewählt wird. Das Fach LER kann nicht als Alternative zum Religionsunterricht angesehen werden. Das Fach Religion ist im Grundgesetz Artikel 7 (3) verankert und kann nicht einfach ersetzt werden. Das Fach Ethik kann hingegen in LER umbenannt werden. Doch wird hier auch deutlich, dass Religionskunde eine ganz andere Intention hat als das Fach Religion (siehe Antwort 1).

Für uns als Ökologisch-Demokratische Partei/Familie und Umwelt (ÖDP) steht der Religionsunterricht nicht in Frage. Wir sehen in vielen Bereichen unseres Programmes die christlichen Grundwerte wieder. Die Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus zeigt die gleiche Wirtschaftskritik auf, wie sie bei uns schon lange im Programm steht.